Achtung – kein Wissensquickie!
Sales Excellence ist mehr eine Haltung als „nur“ effiziente, am Kunden ausgerichtete Prozesse. Es geht darum, schneller und einfacher für den Kunden zu werden. Es geht nicht darum, das Leben im Unternehmen durch neue Prozesse vielleicht noch umständlicher zu machen und damit überhaupt keinen Raum mehr zu lassen für gute, wertvolle Kundenkontakte. Es geht um die richtigen Prozesse und Strategien.
Ihr Kunde möchte nicht laufend von Ihrem Verkauf bedrängt werden. Das gilt solange, bis er entscheidet, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Ihren Kunden zu bedrängen ist in Zeiten des „selbstbestimmten“ Kunden nicht ratsam. Der Kunde meint, er wisse mehr als Sie und Ihr Vertrieb. Oft ist das auch so. Er will aber vor Unheil bewahrt werden, auf Wesentliches hingewiesen werden – wenn er soweit ist.
Umso mehr zählt, dass Sie und Ihr Team mit direktem oder indirektem Kundenkontakt, quasi eigentlich alle, Mensch sind. Und schnell sind, wenn es darauf ankommt. Somit ist auch Leadership heute mehr denn je Befähigung statt Kontrolle. Steuerung wenn überhaupt dann noch von Kontaktqualität statt -quantität. Leadership ist auch Inspiration und soll Lust auf Leistung machen.
Ich komme aus dem Vertrieb, habe mein gesamtes Berufsleben immer die Verantwortung auch für den Vertrieb gehabt. Wir hatten schon vor über 20 Jahren schnelle Lösungen für den Kunden in den Mittelpunkt gestellt. Vielleicht nicht immer perfekt, aber immer etwas besser als gefordert. Ich war später ein paar Jahre in großen Unternehmen mit Fokus Direktvertrieb tätig, einige hundert Leute „auf der Straße“ und nebenbei mit guten Omnikanal-Strukturen. Die Kunden wurden damals vom Außendienst in einer von Regionalleitern gerne nach Nasenlänge festgelegten Routine, trotz Rahmenvorgaben…, teils wöchentlich am gleichen Tag zur gleichen Zeit besucht.
Schon „damals“, obwohl nicht in grauer Vorzeit, aus meiner Sicht sub-optimal. Dann kamen zusätzlich Corona-Maßnahmen, die den Vertrieb endgültig auf den Kopf gestellt haben. Heute muss Vertrieb daher vollkommen neu aufgestellt werden.
Ich sage nicht, dass der persönliche Verkauf obsolet ist. Auch nicht auch im Direktvertrieb. Aber ich bin überzeugt, dessen Aufgaben müssen schnell angepasst werden. Die KI wird schneller Produktinformationen in besserer Qualität liefern, als es Ihre Mitarbeitenden je könnten. Es gibt so viele Unternehmen, die das nicht wahrhaben wollen oder nicht wissen, wie sie damit umgehen sollten.
Vorweg, der angepasste Vertrieb heute: Der Verkäufer muss seinen Kunden wirklich kennen und so betreuen, wie dieser es möchte. Er muss den Kunden vor Fehlern bewahren und absolutes Vertrauen des Kunden gewinnen.
Was haben wir verpasst?
Denken Sie mal darüber nach, wie Sie selbst heute einkaufen, wie Sie Ihre Kaufentscheidung treffen. Dieses Verhalten findet sich immer mehr auch im B2B. Warum sollte dort nicht gelten, was im B2C gilt. Ob Sie wollen oder nicht. Der Kunde, also jeder von uns, glaubt doch, er sei ausreichend über ein Produkt und was er konkret möchte informiert. Schließlich hat er viel Zeit mit Recherche im Internet verbracht. Es gibt gute Studien die zeigen, wie stark sich die Recherchezeit in den letzten Jahren erhöht hat. So ist es nicht verwunderlich, dass der Kunde tatsächlich oft besser über ein Produkt informiert ist, als der Verkäufer.
Ich erzähle Ihnen ein hervorragendes Beispiel dazu: Ich war letzte Woche bei einem früheren Kunden, mittlerweile Freund. Er ist Inhaber eines mittelständischen Maschinenbauers und führt diesen als GF. Eigentlich wollte er das Unternehmen vor ein paar Jahren verkaufen. Er hatte die Freude, vor allem an Führung, verloren. Heute, mit Anfang 60, denkt er nicht mehr an Verkaufen. Er hat wieder richtig Freude an Führung und das Unternehmen läuft den Umständen entsprechend gut. Früher ging jede Entscheidung über Lieferanten, Preise, Entwicklungen usw. über seinen Tisch. Das hat er geändert.
Heute hat er teils sehr junge Mitarbeitende, denen er Verantwortung übertragen hat. So auch einen „jungen Wilden“, der mit Anfang 20 alleine für die C-Teile und Elektrowerkzeuge verantwortlich ist. Der Inhaber vertraut ihm und lässt ihn machen. Monatlich wird durchgesprochen, wo man steht, wie das Budget passt, wo Ausrutscher sind, was im Markt passiert.
Als ich vor Ort war, kam tatsächlich der wöchentliche Besuch des Außendienstmitarbeiters von einem der großen Anbieter für C-Teile. Dieser war bis vor 3, 4 Jahren beinahe Alleinlieferant in dem Segment des jungen Wilden. Heute erzielt er einen Monatsumsatz von annähernd Null Euro, kommt aber trotzdem fast jede Woche vorbei. Weil er die Vorgabe dazu hat und den Kunden um jeden Preis zurückgewinnen soll. Der junge Wilde hat ihn, wie er mir später erzählt hat, zum x-ten Mal darauf hingewiesen, dass er sich den Besuch bitte bitte sparen könne. Grund: Er kennt die Produkte und weiß, was er will. Der Außendienstler würde ihn nur Zeit kosten. Punkt für den jungen Wilden. Ich habe im Anschluss mit dem GF gesprochen, ob er es auch so sieht wie sein junger Kollege: „Außendienstbesuche sind Zeitverschwendung“. Und er hat bejaht. Er selbst kümmert sich im Einkauf nur um größere Maschinen und deren Teile. Einfach weil es seine Leidenschaft ist. Er hat mir erzählt, wie lange er jede Woche im Internet stöbert und sich auf dem Laufenden hält. Er kennt sich wohl wirklich aus. Dann hat er aber berichtet, wie ihn der Verkäufer eines Lieferanten davor bewahrt hat, einen teuren Fehlkauf zu tätigen, da die von ihm gewählte Maschine zwar beeindruckend und geeignet aber für alle aktuellen und möglichen zukünftigen Zwecke massiv überdimensioniert war. Eine kleinere Maschine hatte ein Merkmal, welches die geplanten Teile schneller mit höherer Präzision herstellen konnte. Dem GF wurde plötzlich bewusst, dass er sich zwar selber gut auskennt, der Lieferant und dessen Verkäufer dennoch eine wertvolle Leistung für ihn erbracht hat und ihm hilft, seine Entscheidungen zu hinterfragen und vielleicht zu korrigieren. Punkt für den Lieferanten.
Dieser Lieferant vertreten durch einen schlauen Verkäufer hat verstanden, dass er im richtigen Moment verfügbar sein muss. Er hat ohne jeglichen Druck erreicht, dass er immer wieder gefragt wird, wenn es um neue oder Ersatzmaschinen geht und einfach „nur“ die erforderlichen Informationen liefern muss. Er wartet auf Kontaktaufnahme, darf sich aber mittlerweile erlauben, ab und zu proaktiv zu fragen, ob es Schwierigkeiten gäbe und das Unternehmen über irgendetwas Informationen benötigen würde. Diese liefert er dann extrem schnell, ohne gleich ein Verkaufsgespräch zu führen. Genial.
Bei diesem Lieferanten wurde, wie mir berichtet wurde, zusätzlich im ersten Schritt alles, was mit Kunden zu tun hat, extrem vereinfacht und damit massiv beschleunigt. Von der Produktkonfiguration über den technischen Service „on demand“, Auftragsabwicklung, Preisanfragen, Reklamationen, Referral-Programm (man sollte nicht glauben, dass dies im B2B tatsächlich funktionieren kann) bis hin zum Kontakt ins Produktmanagement, um eigene Ideen in neue Produkte einfließen zu lassen. Was meinem Freund sichtlich Spaß macht.
Ein Beispiel, wie Sales Excellence nicht funktioniert und wie einfach eine schrittweise Optimierung wäre: In dem erwähnten Maschinenbauunternehmen sind ca. 200 Elektrowerkzeuge im Einsatz. Entsprechend plus minus 500 dazugehörige Akkus. Alles von einem einzigen Lieferanten und einer Marke. In den letzten Monaten fallen reihenweise Akkus aus. Der zuständige Mitarbeiter wollte den Außendienstler des Lieferanten dazu kontaktieren und um Hilfe bitten. Dies hat mangels Erreichbarkeit und Rückruf schon eine Woche gedauert. Dann die erste Antwort des Außendienstlers:“ Habt Ihr die Akkus registriert?“. Nein, haben sie nicht. Die ersten wurden registriert. Allerdings hat der Vorgang pro Akku auf einer extrem ausladenden Webseite dafür etwa 10 Minuten gedauert. Registrierung aller anderen Akkus wurden daher ignoriert. Man ging davon aus, dass nicht so schnell so viele Ausfallerscheinungen kommen würden.
Learning 1: Machen Sie Ihren Kunden das Leben nicht so schwer! Übernehmen Sie doch, wenn schon im Grunde meistens sinnlos aber aus irgendeinem gedachten Grund erforderlich, solche Registrierungen für den Kunden. Wobei die Registrierungen exemplarisch stehen. Wenn Sie sich Ihre Prozesse ansehen und was sowohl Kunden als auch Mitarbeitende durchmachen müssen, werden Sie erschrecken. Einfachheit zählt!
Im selben Unternehmen hatte der GF eine spezielle Frage zu einer Maschine. Also diesmal den Vertreter des Maschinenlieferanten angerufen. Der konnte nur auf den Experten im Hause verweisen. Er würde sich kümmern und der Experte in den nächsten Tagen vorbei kommen. Das war vor 8 Wochen. Der Außendienstler musste hier wie nach jedem Besuch einen sehr ausführlichen Bericht schreiben, der ohnehin von kaum jemanden, wenn überhaupt, gelesen wird. Wozu also der Wahnsinn mit den Berichten? Direktvertriebsunternehmen sind hier übrigens meistens Negativbeispiele. Oft sitzen die Außendienstler jeden Abend noch 1-2 Stunden, nur um Berichte zu schreiben, die niemand liest. Obwohl es meistens kreativ verfasste unterhaltsame Geschichten sind statt Fokus auf’s Wesentliche. Reine Energieverschwendung. Der auch im Bericht erwähnte und auf cc gesetzte Experte („ToDo weiterleiten“ im CRM…) ist übrigens nicht erreichbar und im Customer Service kommt auch nur Achselzucken, man würde sich kümmern. Der Bericht wurde nur auf explizite Anforderung gelesen. Verständlich, da niemand Zeit zum Lesen hat. Workflow hin oder her. Nichts weiter passiert. Frustriert hat der GF eine neue Maschine bei einem anderen Lieferanten gekauft. Der ursprüngliche Maschinenlieferant, seit gut 10 Jahren, ist raus. Der Frust wurde zu groß. Da kann der Außendienstler sich auf den Kopf stellen, er wird diesen Kunden nicht zurückgewinnen. Verloren haben den Kunden andere Bereiche. Dumm nur, dass lediglich der Außendienstler dafür sogar monetär „bestraft“ wird.
Learning 2: Vernetzen Sie Ihre Bereiche mit Kundenkontakt effizient. Oft werden vermutlich nicht so viele Außendienstler benötigt, sondern echte Experten, die auch verfügbar sind, wenn sie gefordert werden. Machen Sie nicht Baumärkte zu Ihrem Vorbild! Die Anforderungen verändern sich. Stellen Sie sicher, dass Ihre Organisation auf den Kunden umgehend reagiert und Zusagen einhält. Und nicht alles daran setzt, dass Ihre Kunden niemanden erreichen, der verantwortlich ist und etwas bewegen könnte!
Es gibt allein aus diesen beiden Beispielen eine ganze Reihe weiterer Learnings und Impulse, wo man im Sinne von Sales Excellence ansetzen kann. Machen Sie transparent, was sich im Kaufverhalten bei jedem persönlich verändert, damit vor allem alle mit Kundenkontakt verstehen, warum sich auch in Ihrem Vertrieb einiges ändern MUSS.
Es gibt keine Option.
Natürlich darf der Hinweis auf Resilienz und positive Leadership hier nicht fehlen. Denn auf Seiten des Maschinenbauers wäre der Inhaber und GF ohne Resilienzentwicklung nicht in der Verfassung gewesen, seinen Mitarbeitenden so viel (aus seiner Sicht) Vertrauen entgegen zu bringen, loszulassen, zuzulassen. Also den Mut für diese Veränderung und vollkommene Umsetzung des Positive Leadership Gedankens aufzubringen. Und auf Seiten des Lieferanten wäre es mindestens ebenso wertvoll, sogar bei den Außendienstlern, auf Resilienzentwicklung statt z.B. auf das nächste stupide Verkaufstraining zu setzen. Warum? Damit die Außendienstler nicht mit dem massiven Druck im Nacken zum Kunden laufen und ihn durch sinnlosen Verkaufsdruck zum Kaufen drängen wollen. Damit sie lernen, besser und „achtsamer“ zuzuhören. Damit sie mehr als Mensch auf Augenhöhe, als Partner, als Vertrauter wahrgenommen werden denn als Bittsteller oder Drückerkolonne.
Das gilt aus meiner Sicht ausnahmslos für jede Branche. Verkaufs-/Verhandlungstrainings sind als Grundlage sinnvoll. Aber nur Verkaufstrainings allein sind unkreativ und reflektieren nicht, wie sich das Verhalten und die Anforderungen der Kunden verändern.
Resilienz und dadurch mögliches positives Führen sind absoluter Erfolgsfaktor, denn ohne eigene Resilienz keine positive Führung, ohne positive Führung keine Kontaktqualität und kein Aufbau vertrauensvoller, dauerhafter Beziehungen. Weder intern noch extern.
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